Die Geheimnisse echter Kreativität in Organisationen – Magdalena Rathmann im #AgileGrowthCast

Magdalena Rathmann begeistert sich für Menschen, Sozialdynamik, Organisationen und Führung. Kreativität entsteht aus den richtigen Rahmenbedinungen. Agilität ist für sie nicht Dogmatik oder das rezeptartige Anwenden von Methoden. „Stattdessen möchte ich Organisationen und Teams dabei unterstützen, sich individuelle Arbeitssysteme zu bauen, kontinuierlich zu lernen und sich weiterzuentwickeln.“

Früher hat Lena u.a. in der Filmbranche gearbeitet. Obwohl Zusammenarbeit und Selbstorganisation für Filmfirmen überlebenswichtig sind, wurde dort nie explizit drüber diskutiert oder irgendwelche Zusammenarbeitsinitiativen gestartet. Zusammenarbeit fand einfach statt. Die Erfahrung dort und die Reflexion über die Grundlagen von Zusammenarbeit haben Lenas Arbeit als Agile Coach nachhaltig geprägt.

Aktuell arbeitet Lena bei der AOK Systems, wo sie sich pudelwohl fühlt. Parallel macht sie einzelne freie Jobs und engagiert sich in der universitären Lehre um noch mehr Erfahrung mit ganz unterschiedlichen Kulturmustern zu bekommen.

Play4Agile 2014 – Inspiration im Open Space

Wenn über 80 Menschen mit der Vision einer neuen und anderen Arbeitswelt für vier Tage zusammentreffen, um spielerisches Lernen und Agile Methoden wie Scrum und IT-Kanban zusammenzubringen, dann wird es spannend.

Die zum vierten Mal in Folge stattfindende Play4Agile-Konferenz war wie jedes Jahr ein so genannter Open Space. Dieses auch als Unkonferenz bezeichnete Format erlaubt es, dass die Teilnehmer die Agenda der Konferenz selber vor Ort erstellen. Bei Gästen aus den Niederlanden, Kanada, Finnland, Schweden und Argentinien war dabei eine Menge kultureller Vielfalt mit an Bord.

Zusammen mit Armin Schubert hatte ich die Ehre, den Open Space in diesem Jahr eröffnen zu dürfen. Wichtig war mir dabei, zum einen nah an der ursprünglichen Open Space Moderation vom Begründer der Methode Harrison Owen zu bleiben und zum anderen auch alle Erst-Teilnehmer zu ermutigen, sich voll einzubringen. Dank meiner Mentoren Thorsten und Martin sowie der Kraft des Open Spaces gelang das wunderbar und ein florierender Ideenmarkt begann.

Während der vier Tage gab es eine Vielzahl spannender Beiträge und Diskussionen:

  • Wie vermittelt man Lean und Agile mit Lernsimulationen?
  • Was erzeugt Kulturen, die Fehler als Lernchancen nutzen?
  • Welche Rollenspiele helfen dabei, die neuen Arbeitsprinzipien selbst zu erleben?
  • Was schafft bessere Zusammenarbeit und hilft, Konflikte zu klären in unseren Teams?

Neben den inhaltlichen Themen ist diese Konferenz auch ein Ort, um Inspirationen und Energie zu sammeln – Energie, die wir Coaches dann an die Arbeitswelt weitergeben, damit Angestellte und Führungskräfte mit Freude eine Umgebung erschaffen können, in der Arbeit und Leidenschaft zueinander gehören.

Manch einer würde sagen, die Arbeit geht dann fast spielerisch von der Hand…

Selbstorganisation ist ein (wichtiger) alter Hut

Menschliche Systeme wie z.B. Softwareentwicklungsteams organisieren sich selbst ohne jegliches zutun – schon immer. Dieses Selbstorganisation genannte Phänomen ist das natürliche Verhalten aller komplexer Systeme. Die spannende Frage ist dabei jedoch, ob das zu Tage tretende Verhalten gewünscht oder unerwünscht ist.

Viele Jahre lang haben Führungsrkräfte versucht, das Verhalten durch möglichst detaillierte Vorgaben, Anweisungen und Regeln zu beeinflussen – ein Vorgehen, dass den Anleihen des Taylorismus geschuldet zu sein scheint. Das funktionierte mal mit mehr, mal mit weniger Erfolg.

Ein Trick in der Interaktion mit komplexen Systemen ist: Entscheidungen und Verantwortung werden dorthin gegeben, wo die Informationen präziser und kleiner sind. In der Regel ist das eine Delegation weiter „nach unten“. So werden die Entscheidungen besser und auch eher mitgetragen. Rahmenbedingungen helfen dabei, wichtige Entscheidungsaspekte zu berücksichtigen.

Komplexe Systeme haben emergente Eigenschaften: Das Verhalten des Systems kann nicht alleine durch das Verhalten der einzelnen Teile des Systems bestimmt werden. Ein Team ist mehr als die Summe seiner Mitglieder.

Als Konsequenz daraus verwendet man in agilen Vorgehensweisen die Intelligenz der Gruppe an allen wichtigen Stellen: Planung, Schätzungen, Reviews, Retrospektiven. Keine dieser Tätigkeiten kann von einer Person alleine in hoher Qualität geleistet werden, denn dafür sind zu wenige Informationen in der gedanklichen Abbildung jedes Einzelnen. Wer einmal bei einer Planning Poker Sitzung dabei war, kann dies dort leicht erkennen: Abweichende Schätzwerte sind immer in einem unterschiedlichen Wissenstand begründet. Hier wird aus den Einzelinformationen ein Gruppenmodell, dass die Komplexität einer Anforderung besser wiederspiegelt.

Aus dem selben Grund delegiert man – wie oben geschrieben – also auch möglichst viel Kontrolle an die Teams selbst: Sie haben das vollständigste Model zur Verfügung, um ihr eigenes System zu steuern. So steigt die Stabilität des Gesamtsystems Abteilung und Organisation.

Selbstorganisation passiert (nicht) von alleine

Wer mit agilen Teams oder Methoden in Kontakt kommt, hört manchmal die Aussage, dass Manager nicht mehr benötigt werden, da sich die Teams selbst organisieren sollen. Das ist ein völlig falsches Verständnis von Selbstorganisation.

Der ScrumMaster hat im Scrum Prozess eine laterale Führungsrolle. Das bedeutet, dass er keine disziplinarische Macht hat, jedoch ganz klar eine Führungsaufgabe hat, was auch durch den Begriff des „Servant Leaders“ deutlich wird.

Wieso braucht man diese Rolle? Sind ein Team von Experten nicht von alleine in der Lage durch Selbstorganisation möglichst efffizient Software zu produzieren? Der Haken an selbstorganisierten Systemen ist, dass ohne vorgegebene Rahmenbedingungen absolut beliebige Systemzustände entstehen. Das bedeutet nicht zwangsläufig Chaos, aber auch nicht, dass ein System alleine zu positiver Entwicklung neigt.

Ein System könnte zum Beispiel zu einer lokalen Optimierung neigen. Sagen wir mal, ein Team ist damit beauftragt, intensive Lasttests auf eine im Internet platzierte Serverfarm durchzuführen. Dieses Team wird sich bemühen, die Arbeitsumstände so optimal wie möglich für ihr Vorhaben zu gestalten und im schlechtesten Fall die Netzwerkbandbreite der gesamten Firma konsumieren.

Und auch Manager setzen Rahmenbedingungen für Teams: Sie müssen Menschen zum Beispiel vor Mobbing schützen, gemeinsame Ressourcen wie Platz im Büro, Netzwerkbandbreite, usw. vor zu hoher Inanpruchnahme durch einzelne Teams und Individuen.

Ein „Rahmengeber“ ist also ein elementarer und wichtiger Bestandteil eines selbstorganisierten Teams. Innerhalb dieser Grenzen kann eine positive und sinnvolle Entwicklung eines Teams stattfinden. Hier ist neben dem ScrumMaster auch das Linienmanagement gefragt, diesen Rahmen zu definieren.