Technische User Stories gehören nicht ins Product Backlog

Die agile Gemeinde hat dieses Thema schon öfter diskutiert – mit sehr unterschiedlichen Ansichten. Daher möchte ich diesen Beitrag nutzen, um meine Meinung darzustellen und sie zu begründen. Meine Erfahrung aus der Rolle des Entwicklers fließen in mein Verständnis ebenso ein, wie die wirtschaftliche Betrachtung der Softwareentwicklung.

Das Product Backlog ist ein Ort, an dem der Product Owner eine Bestellung an sein Team aufgeben kann. Häufig finden hier User Stories Verwendung.

Nach Mike Cohn haben User Stories die 3 C’s als Kriterien:

  • Card: Eine Story sollte auf eine Karteikarte passen.
  • Conversation: Eine Story ist keine vollständige Anforderung oder dergleichen. Es ist ein Versprechen über eine Konversation, die während der Planungssitzung und beim Estimation Meeting noch geführt werden soll.
  • Confirmation: Die Definition, wann eine Story erfüllt ist, sollte auf der Rückseite stehen in Form eines User-Acceptance-Tests, damit das Team weiß, welcher Maßstab im Review Meeting angelegt wird.

Würde ein Product Owner bei seinem Team bestellen, dass eine Komponente von Version 1.2 auf Version 1.3 aktualisiert werden soll? Möchte er diese Konversation mit seinem Team führen? Die Frage ist, ob dadurch ein Mehrwert für ihn aus Geschäftssicht entsteht: Braucht er ein Feature der Komponente, dass nur im neuen Release enthalten ist? Sind Fehler behoben, die den Anwender betreffen?

Jetzt wird der erfahrene Entwickler vermutlich auf die technische Schuld hinweisen. Vollkommen zurecht: Wer in größeren Projekten arbeitet, der kennt die Themen der Komponentenaktualisierung, umfangreicher Refactorings und Austausch ganzer Bausteine.

An dieser Stelle gibt es zwei Optionen:

a) Der Product Owner bestellt ein Feature, dass die Aktualisierung bzw. Bearbeitung der technischen Schuld tatsächlich auch beinhaltet. In diesem Fall werden entsprechende Tasks zu der User Story erstellt und wie gewöhnlich bearbeitet.

b) Der Product Owner interessiert sich eigentlich nicht für die notwendigen Tätigkeiten aber jeder gute Entwickler weiß, dass diese Veränderungen gebraucht werden, um das Fortbestehen und die Wartbarkeit der Anwendung zu sichern.

Das Team sollte im Sprint Planning dann entscheiden, wieviel Aufwand es erwartet in Bezug auf die technischen Veränderungen und dementsprechend das Commitment anpassen, dass es dem Product Owner gibt. In den Velocity / Burndown Graphen ist eine Anmerkung des Product Owners sinnvoll, warum eine vermutlich eingeschränkte Velocity nach der Iteration erreicht wird.

Dies ist eine kritische Stelle der Interaktion zwischen dem Team und dem Product Owner, denn dieser muß dem Team vertrauen, dass das Team wirklich nur die notwendigen Arbeiten in einem Rahmen durchführt, der es nachwievor ermöglicht, echten Geschäftswert zu schaffen. Nutzt das Team diese Entscheidungsgewalt als “technischen Freibrief” aus, sollte der ScrumMaster diesen Konflikt thematisieren und lösen.

Nur ein verantwortlicher Umgang mit Ressourcen und ein Zusammenspiel aus Technik und Business sichern langfristig den Erfolg.

Machtkämpfe zwischen Produktverantwortlichen und Entwicklern oder Architekten haben hier keinen Platz.

Die Abarbeitung der technischen Tasks wird wie gewohnt im Sprint Burndown dargestellt. Hier herrscht also Transparenz für den Product Owner. Die kritische Frage, warum gewisse Tätigkeiten umbedingt erfolgen müssen, darf gestellt werden und sollte vom Team beantwortet werden ohne dabei eine Rechenschaft abzulegen. Das Team entscheidet selber, wie es produziert.

Hier kann es hilfreich sein, wenn der ScrumMaster beiden Seiten hilft, die Belange des jeweils anderen zu verstehen, für Transparenz zu sorgen und einen tragfähigen Kompromiss zu entwickeln. Ein farbliches Hervorheben von Tasks der “technical debt” könnte eine Option sein, das Verhältnis für alle Transparent zu halten. Kippt das Verhältnis in die falsche Richtung, sollte es thematisiert werden.

Technische Stories gehören also nicht ins Product Backlog. Technische Tasks gehören hingegen zur Arbeit des Teams. Die Balance zu halten, liegt in der Verantwortung aller Beteiligter.

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